Pange, lingua, gloriosi proelium

Venantius Fortunatus ( c. 600)

Lateinisch:

Pange, lingua, gloriosi prœlium certaminis
Et super crucis trophæo, dic triumphum nobilem,
Qualiter redemptor orbis immolatus vicerit.


De parentis protoplasti fraude factor condolens,
Quando pomi noxialis morte morsu corruit,
Ipse lignum tunc notavit, damna ligni ut solveret


Hoc opus nostræ salutis ordo depoposcerat,
Mulitformis perditoris arte ut artem falleret
Et medelam ferret inde, hostis unde læserat.


Quando venit ergo sacri plenitudo temporis,
Missus est ab arce patris natus orbis conditor
Atque ventre virginali carne factus prodiit.


Vagit infans inter arta conditus præsæpia,
Membra pannis involuta virgo mater adligat,
Et pedes manusque, crura stricta pingit fascia.


Lustra sex qui iam peracta tempus implens corporis,
Se volente, natus ad hoc, passioni deditus,
Agnus in crucis levatur immolandus stipite.


Hic acetum, fel, arundo, sputa, clavi, lancea
Mite corpus perforatur, sanguis, unda profluit.
Terra, pontus, astra, mundus quo lavantur flumine.


Crux fidelis, inter omnes arbor una nobilis,
Nulla talem silva profert flore, fronde, germine,
Dulce lignum dulce clavo dulce pondus sustinens.


Flecte ramos, arbor alta, tensa laxa viscera
Et rigor lentescat ille, quem dedit nativitas,
Ut superni membra regis mite tendas stipite.


Sola digna tu fuisti ferre pretium sæculi
Atque portum praeparare nauta mundo naufrago,
Quem sacer cruor perunxit fusus agni corpore.



Deutsch:

Singe, zunge, des erhabnen gotteskampfes waffengang,
Um des kreuzes siegeszeichen sing den edelsten triumph,
Wie des weltenrunds erlöser hingeopfert sieger blieb.


Trauernd um des erstgeschaffenen paares schmählichen verrat,
Als es durch den biss des bösen apfels jäh dem tod verfielt,
Kerbte selbst das holz der schöpfer, das die schuld des holzes sühnt.


Dieses werk ward in der ordnung unsres heiles tief verknüpft,
Dass des vielgestaltigen lügners list mit list er überfing
Und der heilung wunder brächte, wo der feind die wunde schlug.


Als daher der heiligen zeiten fülle uns gekommen war,
Ward des Vaters Sohn, der schöpfer dieser welt vom schloss gesandt,
Von dem jungfräulichen Schosse ging er fleischgeworden aus,


Weint als kind in einer krippe karger enge scheu versteckt,
Seine glieder hüllt in windeln ihm die jungfrau-mutter ein,
Schnürt mit einer straffen binde füsse, hände, lenden fest.


Da der kreis der dreissig jahre seines leibes zeit erfüllt,
Willig, dem er war geboren, gibt er sich dem leiden hin,
Und zum opfer wird erhoben auf dem kreuzespfahl das lamm.


Seht den essig, seht die galle, speichel, nägel, lanze, rohr,
Wie der zarte leib durchbohrt wird, blut und wasser strömt hervor:
Erde, meere, sterne, welten reinigen sich in diesem strom.


Kreuz, du treuer, unter allen einziger und edler baum,
Wie kein wald ihn je getrieben gleich an blüte, laub und spross,
Süsses holz, an süssem nagel süsse bürde festigend.


Hoher baum, beug deine äste, dehne weit dein kernholz aus
Und erweiche so die härte, die dein ursprung dir verlieh,
Dass des höchsten königs glieder du gelind am stamme dehnst.


Du warst würdig nur, zu tragen aller welten lösepreis
Und den hafen zu bereiten, der zerschellten welt ein hort,
Da das heilige blut ihn salbte, das vom leib des lammes floss.


Deutsch von Friedrich Wolters (1876 - 1930)

fontes

Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymendichtung. Erster Teil, S. 37
Friedrich Wolters, Hymnen und Sequenzen, S. 47ff.

scholia / marginalia

Dominica ad Matutinum.
Die 14. Sept. In Exaltatione S. Crucis ad Matutinum.

Am Sonntag zur Matutin.
Am 14. September, Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes.

Die zweite Hälfte des Hymnus (Lustra sex qui iam perregit):

Dominica prima Passionis ad Laudes.
Dominca secunda Passionis ad Laudes.
Am Passionssonntag zu den Laudes.
Am Palmsonntag zu den Laudes.

Die Hymne des Venantius Fortunatus wird hier als Ganzes wiedergegeben.

Das Brevarium Romanum teilt die ursprünglichen zehn Strophen auf. Aus dem Hymnus werden die ersten fünf Strophen übernommen, und an diese wird eine formelhafte Schlussstrophe (Doxologie) angefügt. Im Brevier lautet der erste Vers: "Pange, lingua, gloriosi lauream certaminis". Dieser Hymnus wird am Passionssonntag sowie am Fest der Erhöhung des heiligen Kreuzes zur Matutin gebetet.

Die Strophen sechs bis zehn, an welche die gleiche Schlussstrophe angefügt wurde, bilden eine zweite Hymne, die zu den Laudes am Passionssonntag und am Palmsonntag gebetet wird.

metrum

Versmaß: dreizeilige Strophen in katalektischen trochäischen Tetrametern.

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