Recordare sanctae crucis

Bonaventura, Johannes Fidanza (1221 – 1274)

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aus dem Gradulae von Katharinental.

Lateinisch:

Recordare sanctæ crucis,
Qui perfectam vitam ducis,
Delectare iugiter;
Sanctæ crucis recordare
Et in ipsa meditare
Insatiabiliter.

Cum quiescis et laboras
Quando rides, quando ploras,
Doles sive gaudeas,
Quando vadis, quando venis,
In solaciis et pœnis
Crucem corde teneas.

Crux in omnibus pressuris,
Multum gravibus et duris,
Est tutum remedium;
Crux in pœnis et tormentis
Est dulcedo piæ mentis
Et verum refugium.

Crux est vena paradisi,
In qua solum sunt confisi,
Qui vicerunt omnia;
Crux est mundi medicina,
Per quam bonitas divina
Fecit mirabilia.

Crux est salus animarum,
Verum lumen et præclarum
Et dulcedo cordium;
Crux est vita beatorum
Et thesaurus perfectorum
Et decor et gaudium.

Crux est speculum virtutis,
Gloriosæ dux salutis,
Tota spes fidelium;
Crux es decus salvandorum
Et solacium eorum
Atque desiderium.

Crux est arbor decorata,
Christi sanguine sacrata,
Cunctis plena fructibus,
Quibus animæ fruuntur,
Cum supernis nutriuntur
Cibis in cælestibus.

Crucifixe, fac me fortem,
Ut libenter tuam mortem
Plangam, donec vixero,
Tecum volo vulnerari,
Te libenter amplexari
In cruce desiderio.

Deutsch:

Denk des heiligen Kreuzes immer,
Rechtes Leben führst du nimmer,
Jagst du hinter Freuden her.
An das heilige Kreuz zu denken,
In sein Leid sich zu versenken,
Sei beständig dein Begehr.

Ob dir Arbeit winkt, ob Schlummer,
Ob du lachst, ob weinst vor Kummer,
Seis im Leide, seis in Lust;
Ob du gehen magst, ob kommen,
Seis zum Nachteil, seis zum Frommen,
Trag das Kreuz in deiner Brust.

Ist dies Kreuz in allen Dingen,
Ob dich Not und Qual umringen,
Doch für alles Heil und Hort;
Ob dich Schmerz und Gram durchzittre,
Süßes Labsal gießts ins Bittre
Und ist sichrer Zufluchtsort.

Ist das Tor zum Paradiese,
Daß es Heilige unterwiese,
Zu besiegen Feindeswurt.
Gottes Huld hat unternommen,
Daß es, als Arznei zu frommen
Hier auf Erden, Wunder tut.

Keinem will als Heil es fehlen,
Spendet Lebenslicht den Seelen,
Träuft in Herz uns Süßigkeit.
Lebenssinnbild ists Verklärter,
Schatzbehalter Treubewährter,
Wonne gibts und Würdigkeit.

Ist dies Kreuz ein Tugendspiegel,
Ists auch großen Heiles Siegel,
Aller Gläubigen Hoffnungsschatz.
Ist der Rettungssucher Zierde,
Ist nach Trost die Wunschbegierde
Und der sichre Ankerplatz.

Dieses Kreuz ist der geschmückte
Und durch Christi Blut beglückte,
Guter Früchte reiche Baum.
Die ihr Leben fromm beschließen,
Werden seiner Kost genießen
Droben einst im Sternenraum.

Christ am Kreuze, Kraft mir spende,
Daß ich an dein bittres Ende
Truernd den, solang ich hier.
Wunden auch gleich dir zu finden,
Dich mit Armen zu umwinden
Hoch am Kreuz, das wünsch ich mir.

Deutsch von Richard Zoozmann (1863- 1934)

fontes

Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 351f.
Richard Zoozmann, Laudate Dominum. Lobet den Herrn, S. 337ff.

scholia / marginalia

Laudismus Sanctae Crucis
Preis des heiligen Kreuzes

Der „Lobgesang auf das Heilige Kreuz“ des Bonaventura, der in zwei Teile gegliedert ist, umfasst in seiner vollen Form neununddreißig Strophen. Die ersten sieben Strophen der hier gebrachten Kurzform stammen aus dem pars prior, die letzte aus dem pars altera.

Der Lobgesang scheint häufig in dieser gekürzten Form verwendet worden zu sein, denn Karl Simrock veröffentlicht und übersetzt die gleichen Strophen (Lauda Sion. Altschristliche Kirchenlieder und geistliche Gedichte, lateinisch und deutsch, 1850, S. 272ff.), ebenso Andreas Schwerd hundert Jahre später (Andreas Schwerd, Hymnen und Sequenzen, 1954, S. 55f.).

metrum

Versmaß: Die Strophen bestehen aus sechs trochäischen Dimetern, der dritte und sechste sind katalektisch. Reimschema: aabccb

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