Iam maesta quiesce querela

Aurelius Prudentius Clemens (349 – nach 405)

Lateinisch:

Iam mæsta quiesce querela,
Lacrimas suspendite, matres,
Nullus sua pignora plangat,
Mors hæc reparatio vitæ est.

Quidnam sibi saxa cavata,
Quid pulchra volunt moumenta,
Res quod nisi creditur illis
Non mortua, sed data sommno.

Nam quod requiescere corpus
Vacuum sine mente videmus,
Spatium breve restat, ut alti
Repetat collegia sensus.

Venient cito sæcula, cum iam
Socius calor ossa revistat
Animataque sanguine vivo
Habitacula pristina gestet.

Quæ pigra cadavera pridem
Tumulis putrefacta iacebant,
Volucres rapientur in auras
Animas comitata priores.

Sic semina sicca virescunt,
Iam mortua iamque sepulta,
Quæ reddita cæspite ab imo
Veteres meditantur aristas.

Nunc suscipe, terra, fovendum
Gremioque hunc concipe molli,
Hominis tibi membra sequestro
Generosa et fragmina credo.

Animæ fuit hæc domus olim
Factoris ab ore creatæ,
Fervens habitavit in istis
Sapientia principe Christo.

Tu depositum tege corpus;
Non immemor ille requiret
Sua munera fictor et auctor
Propriique ænigmata vultus.

Veniant modo tempora iusta,
Cum spem Deus impleat omnem,
Reddas patefacta, necesse est,
Qualem tibi trado figuram.

Deutsch:

Nun lasset verstummen die Klagen,
Nun trocknet, ihr Mütter, die Zähren;
Umsonst ist das Grämen und Trauern,
Der Tod muß das Leben gebären.

Was wollen denn diese Gewölbe,
Die marmornen Mäler euch künden,
Wenn nicht die Gewißheit, daß drunten
Nicht Tote, nur Schläfer zu finden.

Hier rastet die sterbliche Hülle,
Das Haus, von der Seele verlassen;
Nicht lange, und Körper und Seele
Aufs neue sich innig umfassen.

Jahrhunderte fliehn, die Gebeine
Durchflackert die Wärme dann wieder,
Mit pulsendem Blute erneut sie
Zur Wohung des Geistes die Glieder.

Die lang als verwesende Hüllen
Im Moder gelegen der Grüfte,
Sie schwingen, vermählt mit dem Geiste,
Gleich Vögeln sich auf in die Lüfte

So grünen Saatkörner, die trocknen,
Gestorben schon längst und begraben,
Und sprossen, gedenkend, daß einstens
Schon Ähren getragen sie haben.

Nimm Erde den Staub denn des Menschen,
Im traulichen Schoß ihn zu hegen.
Laß blühen die herrlichen Glieder
Dem schöneren Leben entgegen.

Sie waren das Haus einst der Seele,
Dem Hauche des Schöpfers entflossen;
In sie hat sich herrlich die Weisheit,
Von Christus entzündet, ergossen.

Bewahre nun, Erde, den Körper;
Rückfordert aus deinem Gefilde
Sein Werk einst der Schöpfer und Bildner,
Geschaffen nach eigenem Bilde.

Erscheinet der Tag der Erfüllung,
Wo wahr wird, was Gott uns verheißen,
Auftu dann den Schoß, daß der Leib sich
Kann deinem Gefängnis entreißen.

Deutsch von Richard Zoozmann (1863- 1934)

fontes

Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 24
Richard Zoozmann, Laudate Dominum. Lobet den Herrn. München 1928, S. 54 - 57

scholia / marginalia

In Exsequiis Defunctorum
Hymnus bei der Totenmesse der Verstorbenen

Die Strophen dieses Hymnus (In Exsequiis Defunctorum) sind dem "Hymnus circa exsequiae defuncti" aus dem Cathemerinon entnommen, der dreiundvierzig Strophen umfasst, und zwar die Verse Cathemerinon X, 117 - 120, 53 - 56, 33 - 44, 121 - 140).

Die Hymne fand in dieser Form große Verbreitung und erfreute sich großer Beliebtheit.

"Das von Prudentius verfaßte Grablied wird dadurch, daß es die urchristliche Lehre von der verklärten Auferstehung der Toten so klar und bestimmt herausstellt, zugleich auch zu einem echten Trostlied."

Andreas Schwerd, Hymnen und Sequenzen. München 1954, S. 87

 

metrum

"Cette hymne comprend 43 strophes en dimètres anapestiques catalectiques." Henry Spitzmuller, Poésie latine chrétienne du Moyen Age IIIe - XVe siècle. Textes recueillis, traduits et commentés par Henry Spitzmuller. Bruges: Desclée de Brouwer, 1971, S. 218, Anm. 57

"Die Einzelzeile ist ein zweisilbig-katalektischer (unvollständiger) anapästischer Dimeter. (...) Die Zeile, viermal wiederholt, bildet die Strophe."

Andreas Schwerd, Hymnen und Sequenzen. München 1954, S. 86

Der Übersetzer verwendet in seiner Übertragung in der zweiten und vierten Zeile jeder Strophe den Reim, der sich im lateinischen Original nicht findet.

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