De sancta Eulalia

Anonymus

Lateinisch:

Laudem beatæ Eulaliæ
Puro canamus pectore,
Quam Christus inter martyres
Casto sacravit sanguine.

Quæ clausa duris postibus
Interque fortes cardines
Somni cibique nescia
Christum canebat pervigil.

Custos tremendi liminis
Laxis stupebat vinculis
In carceris angustia
Mentis beatæ gaudia.

Iudex furore turbidus
Surgit cruentis faucibus
Et increpat noctis moram
Sanctam daturus hostiam.

Lentoque primo verbere
Christi puella cæditur,
Sed consecrare pernegat
Libamen aris impium.

Tunc in reciso stipite
Ductis in altum brachiis
Latus puellæ cæditur
Nudumque flammis uritur.

Victor recedit spiritus
Corpus relinquens pallidum,
Quod lege mortis perditum
Reducat ad vitam Deus.

Iamiam quieti psallite
Patrique laudem dicite,
Christumque laudemus pium
Simulque sanctum spiritum.

Hæc nos redemit trinitas,
Cuius perennis gloria
In sæculum nescit mori
Vivens per omne sæculum.

Deutsch:

Das Lob der seligen Eulalia
wollen wir reinen Herzens singen, die
Christus wegen des vergossenen keuschen,
Blutes unter die Märtyrer aufgenommen hat.

Sie wurde hinter festen Türen
und starken Türangeln eingekerkert,
kannte weder Schlaf noch Speisen
und verkündete Christus wachsam.

Der Wächter dieser schrecklichen Schwelle
staunte über die lockeren Fesseln
und die Freuden des glücklichen Geistes
in der Enge des Kerkers.

In Wut erhebt sich blutrünstig
der zornige Richter und verflucht
die Verzögerung der Nacht, weil er ein
heiliges Schlachtopfer darbringen wollte.

Zuerst wurde das Mädchen Christi
mit geschmeidiger Peitsche geschlagen,
aber es weigert sich, das gottlose Opfer
an den Altären zu vollziehen.

Dann wurden ihm an einem gestutzten
Baumstamm die Arme hochgebunden,
die Seite des Mädchens aufgerissen
und nackt mit Feuer versengt.

Der Geist entschwindet als Sieger und
verlässt den bleichen Leib, den, verloren
nach dem Gesetz des Todes,
Gott zum Leben zurückführen möge.

Singt nun friedlich Psalmen
und sagt dem Vater Lob;
lasst uns den heiligen Christus loben
und zugleich den heiligen Geist

Dies alles macht die Dreifaltigkeit
wieder gut, deren ewiger Ruhm
in Jahrhunderten nicht untergeht
und für alle Zeit lebt.

Deutsch von René Strasser

fontes

Hymnodia Gotica. Die Mozarabischen Hymnen des alt-spanischen Ritus. Aus handschriftlichen und gedruckten Quellen herausgegeben von Clemens Blume. Leipzig 1897, S. 169

scholia / marginalia

Hymnus de sancta Eulalia - In laudibus
Hymnus auf die heilige Eulalia - Zu den Laudes

Gedenktag der Heiligen ist der 10. Dezember.

Der Hymnus ist mozarabischen Ursprungs.

„Die Liturgie der alten Kirche Spaniens, insofern sie von der römischen Liturgie sich unterscheidet, wird nach verschiedenen historischen Epochen mit verschiedenen Namen bezeichnet. Manche wollen sie nach der Zeit ihrer ersten Anfänge spanisch oder römisch-spanisch genannt wissen. Von der Zeit der Gotenherrschaft (seit Anfang des 5. Jahrhunderts) heißt sie vielfach gotisch; nach der Eroberung Spaniens durch die Araber (711) mozarabisch. Von der Eroberung Toledos durch Alphons VI. entlehnen einige die Benennung toletanisch. Wegen der Verdienste, welche sich der hl. Isidor von Sevilla um die Neubelebung (vielleicht auch Umänderung, aber keineswegs Einführung oder gar Erfindung) des mozarabischen Ritus erworben hat, heißt derselbe auch wohl Isidorianisch. Als generelle Bezeichnung ist gewöhnlich ‚mozarabische Liturgie’ gebräuchlich, der wir uns anschließen. Über die Etymologie und folglich auch die Schreibweise, namentlich des lateinischen Wortes, herrscht Uneinigkeit, weil Dunkel. Neben Mostarabes und Mustarabes, d.h. arabisierende (unter den Arabern wohnende) Christen im Gegensatz zu wirklichen Arabern. Als recipierte Schreibart dürfte ‚Mozarabes’ gelten, der ich folge. Noch dunkler ist die Frage über Ursprung und Entwicklung der mozarabischen Liturgie, von der wir hier völlig absehen können.“ Hymnodia Gotica. Die Mozarabischen Hymnen des alt-spanischen Ritus. Aus handschriftlichen und gedruckten Quellen herausgegeben von Clemens Blume. Leipzig 1897, S. 5, Anm.

Eulaia von Mérida

St. Eulalia - Gemälde von John William WaterhouseNach der Legende war die heilige Eulalia ein Mädchen, das zur Zeit der Christenverfolgung unter den Kaisern Maximian und Diokletian beim kaiserlichen Statthalter Dacian vorstellig wurde, um ihm wegen der Christenverfolgungen Vorhaltungen zu machen. Dabei soll sie ein Götzenbild zerstört haben. Dacian ließ sie festnehmen, und nachdem weder Drohungen noch Versprechungen sie vom christlichen Glauben abbringen konnten, aufs Grausamste foltern. Ihre Seele entschwebte als weiße Taube zum Himmel, und Schnee bedeckte ihren Leichnam.

Eulalia wird seit dem frühen Mittelalter als Märtyrerin verehrt. Im romanischen Sprachbereich ist sie weitaus bekannter als etwa im deutschen. So führen etwa ein Dutzend französischer Gemeinden den Namen der Heiligen in ihrem Ortsnamen, in Portugal sind es sechs, in Spanien vier; und auch in der neuen Welt scheint ihr Name in kommunalen und geographischen Bezeichnungen auf (Kanada, Guatemala, Mexiko, Peru).

In Barcelona wird eine heilige gleichen Namens verehrt. Da die frühen Quellen jedoch nur die Heilige von Mérida kennen, darf vermutet werden, dass Eulalia von Mérida und Eulalia von Barcelona identisch sind.

Prudentius hat einen Hymnus auf die Heilige geschrieben (Liber Peristephanon, 3. Hymnus, Canticum Virginis Eulaliae), Augustinus, Gregor von Tours, Venantius Fortunatus, Isidor von Sevilla und Gregor der Große haben sie in ihren Werken und Predigten erwähnt. Die Heilige ist auch auf einem Mosaik in Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna dargestellt.

Der wohl bekannteste Ort ihrer Verehrung in Frankreich ist die Kathedrale Ste-Eulalie-et-Ste-Julie d’Elne in Elne (Dioecesis Elnensis) im Département Pyrénées-Orientales.

Photo fdes Kreuzgangs - Bild: StrasserIn französischer Sprache ist eine Eulalia-Sequenz (Séquence, Chanson, Cantilène de Sainte Eulalie), die um das Jahr 880 entstanden ist, überliefert. Sie ist das älteste literarische Sprachzeugnis des Französischen und gleichzeitig der erste hagiographische französische Text auf eine Heiligengestalt.

Die Handschrift, die, wie man annimmt, aus der Bibliothek des Benediktinerklosters Saint-Amand (Département Nord) stammt, wo sie vermutlich von einem Mönch nach der Überführung der Reliquien der Heiligen von Barcelona ins Doppelkloster St-Pierre de Hasnon in der Nähe von Saint-Amand aufgezeichnet und 1837 von Heinrich Hoffmann von Fallersleben in der Bibliothek von Valenciennes entdeckt wurde.

Von der Entdeckung berichtet der Dichter in seiner Autobiographie.

„Scherzhaft erwiderte ich, aber scheinbar mit einer gewissen Zuversicht: ‚Jetzt gehe ich nach Valenciennes und entdecke dort das Ludwigslied.’ Man lachte, und ich lachte mit. Den folgenden Tag (26. September) um 3 Uhr verließ ich Gent, übernachtete in Mecheln und ging über Brüssel nach Valenciennes. Nach einer langweiligen, schlaflosen Nacht kam ich hier den 28. September gegen Mittag an, halb krank und sehr verdrießlich. Ich frage sofort nach dem Bibliothekar. Nachdem ich ihn gefunden, führt er mich in die Bibliothek. In dem ersten Zimmer links vom Eingange sehe ich unter den Büchern viele alte Bände. Ich frage, ob ich wohl die Bücher der Reihe nach durchsehen könne. Er hat nichts dawider. Jetzt beginne ich hoffnungsvoll mein Suchen. Viele Handschriften stehen zwischen den Büchern. Als ich mit den ersten drei Reihen, den Folianten, fertig bin, machen wir Mittagspause. Gegen 2 Uhr finde ich mich wieder ein und fahre mit dem Durchsehen fort. Da ich die Bücher nicht mehr von unten abreichen kann, so besteige ich eine Leiter. Schon bin ich wieder mit einer Reihe fertig, da bitte ich den Bibliothekar, eine zweite Leiter für sich zu holen und mir die Bücher zu reichen. Schon beim zehnten Buche etwa schreie ich jubelnd auf und schlage meinen Nachbar vor Freuden auf die Schulter, daß er fast das Gleichgewicht verliert: ‚Voilà, Monsieur!“ Der alte Büffeleinband mit den Schriften des Gregorius von Nazianz hatte mich nicht betrogen. Auf der Rückseite des 141. Blattes steht das Ludwigslied, und wie bin ich erstaunt, zugleich das älteste romanische Gedicht, ein Lobgesang auf die heilige Eulalia, bisher völlig unbekannt. Ich nahm mir sofort Abschrift und stellte wiederholte Vergleichungen an. Meine Freude war groß: wie ein Feldherr nach einer gewonnenen Schlacht zog ich triumphierend in meinen Gasthof ein.“

Hoffmann von Fallersleben, Auswahl in drei Teilen. Dritter Teil, Mein Leben. Herausgegeben von Augusta Weldler-Steinberg. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart: Deutsches Verlagshaus Bong & Co. o.J. S. 160f.

Bild: Strasser

 

metrum

Versmaß: ambrosianisch (metrum ambrosianum), aktalektische iambische Dimeter, anstelle der Iamben können an erster und dritter Stelle auch Spondäen und Anapäste stehen (vgl. Adalbert Schulte, Die Hymnen des Breviers, S. 9f.).

Teilweise gereimt, dritte, vierte, achte Strophe (aabb), siebte (abba).

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