Angelorum stupent cantum
Geschrieben von: Petrus Abaelardus
Petrus Abælardus (*1079 – †1142)
Lateinisch:
Angelorum stupent cantum
Admoniti pastores,
Magos nova ducit stella,
Metu languet Herodes.
Dat mandata magis
stulta Loquens eis in dolo,
Sic illusus fuit dolus
Fraudulento fraudato.
Illi cœptam tenent viam,
Reperiunt, quem quærunt,
Et oblatis tribus donis
Per hæc ipsum describunt.
Ad Herodem ne redirent,
Admonentur in somnis,
Et divino documento Sunt,
quid agant, edocti.
Pax in terris, in excelsis
Sit gloria, sit summa
Regi summo, patri, verbo,
Spiritui per sæcla.
Deutsch:
Der Gesang der Engel lässt
die aufhorchenden Hirten staunen,
der neue Stern lenkt die Könige,
in Furcht erstarrt Herodes.
In Arglist gibt er den Königen
törichten Auftrag,
so macht die listige Täuschung
ihn zum betrogenen Betrüger.
Jene halten am eingeschlagenen Weg fest,
sie finden, den sie suchen,
und mit den drei dargebrachten Geschenken
ehren diese ihn selbst.
Damit sie nicht zu Herodes zurückkehren,
werden sie in Träumen ermahnt
und durch göttlichen Rat unterrichtet,
was sie tun sollen.
Friede auf Erden, Ehre in der Höhe,
die größte dem höchsten Könige,
dem Vater, dem Wort, dem heiligen
Geist durch die Jahrhunderte.
Deutsch von René Strasser
fontes
Petri Abaelardi peripatetici palatini Hymnarius Paraclitensis sive Hymnorum libelli tres. Ad fidem codicum Bruxellensis et Calmontani. Edidit Guido Maria Dreves, S.J. Parisiis 1891 (Reprint BiblioLife), S. 100
Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. I. Introduction to Peter Abelard's Hymns. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975
Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. II. The Hymnarius Paraclitensis. Text and Notes. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975, S. 94f.
scholia / marginalia
In Epiphania Domini. In primo Nocturno
Zur Erscheinung des Herrn. Zur ersten Nokturn
Magos nova ducit stella (erste Strophe, dritter Vers). Ein ähnlicher Vers findet sich bei Hrabanus Maurus, ebenfalls in einem Hymnus auf Epiphanie (En coeli rutilant lumine):"Duxit stella Magos mystica"
Petrus Abaelardus ist neben Anselm von Canterbury der bedeutendste, wenn auch ein umstrittener, Philosoph und Theologe des 12. Jahrhunderts.
Petrus Abaelardus war ein Aufklärer und vertrat Jahrhunderte vor René Decartes und den Aufklärern den Vorrang der Vernunft in der Diskussion philosophischer und theologischer Fragen. Dubitando enim ad inquisitionem venimus; inquirendo veritatem percipimus. (Sic et Non, 1122/23) (Durch Zweifeln gelangen wir zum Fragen; fragend erkennen wir die Wahrheit.)
Petrus Abaelardus aber war nicht nur Philosoph und Theologe, er war auch ein Dichter von Rang. Für das Kloster Paraklet, dem Heloisa vorstand, verfasste er nicht nur eine Ordensregel und Predigten, sondern auch Hymnen. Es ist das einzige Hymnar aus der Hand eines einzigen Dichters, das aus dem Mittelalter überliefert ist.
"Abälard, der Peripatetiker von Palais, der Abt von St. Gildas, der Widersacher des hl. Bernhard und der Schutzbefohlene Peters des Ehrwürdigen, ist von jeher eine der merkwürdigsten Gestalten in der Geschichte der theologisch-philosophischen Kämpfe des Mittelalters gewesen. Sein ganzes Leben ist ein ununterbrochener Roman, wie man ihn sich abwechslungs- und wirkungsreicher kaum denken kann. Was Wunder, wenn dies abenteuernde Leben wieder und wieder beschrieben wurde. (...)
Wir wollen uns vielmehr auf eine einzige literarische That Abälards, auf das von ihm verfaßte Hymnar der Abtei Paraklet beschränken. Ist doch über dem Philosophen der Dichter Abälard so gut wie vergessen worden, obgleich zu den Lebzeiten des genialen Mannes der Ruf des letzteren dem des ersteren kaum nachstand. Aber es sind die weltlichen Lieder Abälards im Strome der Zeiten verrauscht und verklungen, und seine geistlichen Lieder theilten das Schicksal der Hymnenliteratur überhaupt: es war dafür wenig Verständniß, wenig Interesse vorhanden.
Abälard war kühn und bahnbrechend in der heiligen Poesie: kühn, weil er der erste und einzige Autor ist (es könnte neben ihm nur noch der späte Santeuil in Betracht kommen), der ein gesammtes liturgisches Hymnar verfaßte; bahnbrechend, weil er sich dabei eines neuen, zum Theil sehr künstlichen Versbaues befliß, vermöge dessen er als einer jener Autoren angesehen werden muß, auf deren Schultern die ganze wundervolle Blütezeit lateinischer Rhythmendichtung steht, welche mit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begann, das ganze 13. hindurch anhielt und nur langsam im 14. von ihrer Höhe herabsank. (...)
Daß Abälard überhaupt dichterisch thätig war und, wie das ja im frühen Mittelalter noch vielfach zu geschehen pflegte, seine Gedichte auch selbst mit Melodien versah, dafür haben wir sowohl sein eigenes als Heloise's Zeugniß. Von der Existenz eines durch Abälard verfaßten Hymnars aber gab jederzeit der kurze Widmungsbrief Nachricht, welcher sich vor dem Buche der Predigten befindet und in welchem der Verfasser Heloise mittheilt, er sende ihr, nachdem er erst unlängst auf ihre Bitten hin ein Buch Hymnen oder Sequenzen verfaßt, nunmehr eine Sammlung geistlicher Vorträge und Unterweisungen für ihr Kloster Paraklet."
Guido Maria Dreves, Der Philosoph von Palais als Hymnopoet. In: Stimmen aus Maria-Laach. Katholische Blätter. Einundvierzigster Band. Freiburg i.Br. 1891, S. 426f.
Literatur
Petri Abaelardi peripatetici palatini Hymnarius Paraclitensis sive Hymnorum libelli tres. Ad fidem Bruxellensis et Calmontani. Edidit Guido Maria Dreves, S.J. Parisiis 1891 (Reprint BiblioLife)
Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. I. Introduction to Peter Abelard's Hymns. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975
Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. II. The Hymnarius Paraclitensis. Text and Notes. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975
Guido Maria Dreves, Der Philosoph von Palais als Hymnopoet. In: Stimmen aus Maria-Laach. Katholische Blätter. Einundvierzigster Band. Freiburg i.Br. 1891, S. 426 - 448
Chrysogonus Waddell, Peter Abaelard as creator of liturgical texts. - In: Rudolf Thomas (Hg.), Peter Abaelard, Person, Werk, Wirkung (Trierer Theologische Studien 38), Trier 1980
metrum
Versmaß: Akatalektische trochäische Tetrameter im Wechsel mit katalektischen, teilweise gereimt
Vierzeilige Strophen