Golias prostratus est

Petrus Abælardus (*1079 – 1142)

Lateinisch:

Golias prostratus est,
Resurrexit Dominus,
Ense iugulatus est
Hostis proprio,
Dum suis submersus est
Ille Pharao.

Dicant Sion filiae
Resurrexit Dominus,
Vero David obviæ
Choros proferant,
Victori victoriæ
Laudes concinant.

Samson noster validus
Resurrexit Dominus,
Circumseptus hostibus
Portas sustulit,
Frustratus allophylus
Stupens ingemit.

Ut leonis catulus
Resurrexit Dominus,
Quem rugitus patrius
Die tertia
Suscitat vivificus
Teste physica.

Deo patri gloria,
Resurrexit Dominus,
Salus et victoria
Christo Domini
Par honor per saecula
Sit spiritui.

Deutsch:

Goliath liegt tot im Staub
Resurrexit Dominus,
seines eignen Schwertes Raub
ward der Erzfeind so,
mit dem ganzen Heer ertrank
jener Pharao.

Töchter Sions, jubelt laut:
Resurrexit Dominus.
Zieht dem wahren David mit
Chorgesang entgegen!
Siegeslieder lasst erschalln
seines Sieges wegen.

Samson, unser starker Held,
Resurrexit Dominus,
hat, von Feinden rings umstellt,
Tore eingerissen,
dass der Feind, der Fürst der Welt,
aufschreit wie gebissen.

Wie das Löwenjunge so
Resurrexit Dominus.
Machtgebrüll des Vaters weckt's
drittags auf zur Früh,
wie's ein Mensch uns hat bezeugt,
der's geschaut, Marie.

Gott, dem Vater, Lob und Preis!
Resurrexit Dominus,
dem Gesalbten unsres Herrn
ewig Sieg und Heil!
Gleiche Ehr werd' allezeit
ihm, dem Geist, zuteil!

Deutsch von Hansjürgen Bertram

fontes

Petri Abaelardi peripatetici palatini Hymnarius Paraclitensis sive Hymnorum libelli tres. Ad fidem codicum Bruxellensis et Calmontani. Edidit Guido Maria Dreves, S.J. Parisiis 1891 (Reprint BiblioLife), S. 125.

Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. I. Introduction to Peter Abelard's Hymns. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975
Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. II. The Hymnarius Paraclitensis. Text and Notes. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975, S. 131f.

scholia / marginalia

In Paschate Domini. In 3. Nocturno
Hymne zu Ostern. Zur dritten Nokturn

Resurrexit Dominus: der Herr ist auferstanden
Der Refrain wiederholt sich in jeder Strophe.

Petrus Abaelardus ist neben Anselm von Canterbury der bedeutendste, wenn auch ein umstrittener, Philosoph und Theologe des 12. Jahrhunderts.

Petrus Abaelardus war ein Aufklärer und vertrat Jahrhunderte vor René Decartes und den Aufklärern den Vorrang der Vernunft in der Diskussion philosophischer und theologischer Fragen. Dubitando enim ad inquisitionem venimus; inquirendo veritatem percipimus. (Sic et Non, 1122/23) (Durch Zweifeln gelangen wir zum Fragen; fragend erkennen wir die Wahrheit.)

Petrus Abaelardus aber war nicht nur Philosoph und Theologe, er war auch ein Dichter von Rang. Für das Kloster Paraklet, dem Heloisa vorstand, verfasste er nicht nur eine Ordensregel und Predigten, sondern auch Hymnen. Es ist das einzige Hymnar aus der Hand eines einzigen Dichters, das aus dem Mittelalter überliefert ist.

"Abälard, der Peripatetiker von Palais, der Abt von St. Gildas, der Widersacher des hl. Bernhard und der Schutzbefohlene Peters des Ehrwürdigen, ist von jeher eine der merkwürdigsten Gestalten in der Geschichte der theologisch-philosophischen Kämpfe des Mittelalters gewesen. Sein ganzes Leben ist ein ununterbrochener Roman, wie man ihn sich abwechslungs- und wirkungsreicher kaum denken kann. Was Wunder, wenn dies abenteuernde Leben wieder und wieder beschrieben wurde. (...)
Wir wollen uns vielmehr auf eine einzige literarische That Abälards, auf das von ihm verfaßte Hymnar der Abtei Paraklet beschränken. Ist doch über dem Philosophen der Dichter Abälard so gut wie vergessen worden, obgleich zu den Lebzeiten des genialen Mannes der Ruf des letzteren dem des ersteren kaum nachstand. Aber es sind die weltlichen Lieder Abälards im Strome der Zeiten verrauscht und verklungen, und seine geistlichen Lieder theilten das Schicksal der Hymnenliteratur überhaupt: es war dafür wenig Verständniß, wenig Interesse vorhanden.
Abälard war kühn und bahnbrechend in der heiligen Poesie: kühn, weil er der erste und einzige Autor ist (es könnte neben ihm nur noch der späte Santeuil in Betracht kommen), der ein gesammtes liturgisches Hymnar verfaßte; bahnbrechend, weil er sich dabei eines neuen, zum Theil sehr künstlichen Versbaues befliß, vermöge dessen er als einer jener Autoren angesehen werden muß, auf deren Schultern die ganze wundervolle Blütezeit lateinischer Rhythmendichtung steht, welche mit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begann, das ganze 13. hindurch anhielt und nur langsam im 14. von ihrer Höhe herabsank. (...)
Daß Abälard überhaupt dichterisch thätig war und, wie das ja im frühen Mittelalter noch vielfach zu geschehen pflegte, seine Gedichte auch selbst mit Melodien versah, dafür haben wir sowohl sein eigenes als Heloise's Zeugniß. Von der Existenz eines durch Abälard verfaßten Hymnars aber gab jederzeit der kurze Widmungsbrief Nachricht, welcher sich vor dem Buche der Predigten befindet und in welchem der Verfasser Heloise mittheilt, er sende ihr, nachdem er erst unlängst auf ihre Bitten hin ein Buch Hymnen oder Sequenzen verfaßt, nunmehr eine Sammlung geistlicher Vorträge und Unterweisungen für ihr Kloster Paraklet."

Guido Maria Dreves, Der Philosoph von Palais als Hymnopoet. In: Stimmen aus Maria-Laach. Katholische Blätter. Einundvierzigster Band. Freiburg i.Br. 1891, S. 426f.

 

Literatur

Petri Abaelardi peripatetici palatini Hymnarius Paraclitensis sive Hymnorum libelli tres. Ad fidem Bruxellensis et Calmontani. Edidit Guido Maria Dreves, S.J. Parisiis 1891 (Reprint BiblioLife)
Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. I. Introduction to Peter Abelard's Hymns. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975
Peter Abelard's Hymnarius Paraclitensis. An annotated edition with introduction by Joseph Szövérffy. II. The Hymnarius Paraclitensis. Text and Notes. Albany, N.Y. and Brookline, Mass. 1975
Guido Maria Dreves, Der Philosoph von Palais als Hymnopoet. In: Stimmen aus Maria-Laach. Katholische Blätter. Einundvierzigster Band. Freiburg i.Br. 1891, S. 426 - 448
Chrysogonus Waddell, Peter Abaelard as creator of liturgical texts. - In: Rudolf Thomas (Hg.), Peter Abaelard, Person, Werk, Wirkung (Trierer Theologische Studien 38), Trier 1980

metrum

Versmaß: Durchgehend katalektische trochäische Tetrameter, teilweise gereimt.
Sechszeilige Strophen, Refrain im zweiten Vers

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