Adoro te devote

Thomas Aquinas (um 1224 - 1274)

Lateinisch:

Adoro te devote, latens deitas,
Quæ sub his figuris vere latitas;
Tibi se cor meum totum subicit,
Quia te contemplans totum deficit.

Visus, gustus, tactus in te fallitur,
Sed auditu solo tute creditur;
Credo, quidquid dixit Dei filius,
Verbo veritatis nihil verius.

In cruce latebat sola deitas,
Sed hic latet simul et humanitas;
Ambo tamen credens atque confitens
Peto, quod petivit latro pænitens.

Plagas sicut Thomas non intueor,
Deum tamen meum te confiteor;
Fac me tibi semper magis credere,
In te spem habere, te diligere.

O memoriale mortis Domini,
Panis vivus vitam præstans homini,
Præsta meæ menti de te vivere
Et te illi semper dulce sapere.

Pie pellicane, Iesu Domine,
Me immundum munda tuo sanguine,
Cuius una stilla salvum facere
Totum mundum posset omni scelere.

Iesu, quem velatum nunc aspicio,
Quando fiet illud, quod tam sitio?
Ut te revelata cernens facie
Visu sim beatus tuae gloriae.

Deutsch:

Ich bete dich ergeben, verborgne Gottheit, an,
Die in diesen formen ganz sich bergen kann,
Die mein ganzes sinnen immerdar regiert,
Da es, dich betrachtend, sich in dir verliert.

Sehen, schmecken, tasten bleiben in dir blind,
Nur allein im hören glaubens stützen sind.
Denn ich glaube, weil es sagte Gottes Sohn,
Da kein sagen wahrer als der wahrheit ton.

Blieb am kreuz verborgen seine göttlichkeit,
Birgt sich hier zugleich auch seine menschlichkeit:
Glaubend und bekennend dennoch beider statt,
Bitt ich, was der schächer einst erbeten hat.

Wenn mein blick die male nicht wie Thomas kennt,
Dennoch all mein denken meinen Gott bekennt.
Mach, dass dich mein glauben immer tiefer ehrt,
Sich in dir mein hoffen, meine liebe mehrt.

Hehres angedenken an des herren tod,
Gibst dem menschen leben, o lebendiges brot:
Schenke meinem geiste dir zu leben stets,
Deine süsse speise hier zu schmecken stets.

Pelikan der gnade, Jesus, höchstes gut,
Mich unreinen wasche rein in deinem blut,
Dessen nur ein tropfen aus der sünde bann
Alle weltenkreise ganz erlösen kann.

Jesus, den verhüllt nur jetzt mein auge sieht,
Wann geschieht, wonach mich all mein sehnen zieht:
Dass ich unverhüllt dir schau ins angesicht
Und im schauen selig bin in deinem licht.

Deutsch von Friedrich Wolters(1876 – 1930)

fontes

Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung I, S. 359
Friedrich Wolters, Hymnen und Sequenzen, S. 143f.

scholia / marginalia

Oratio in Praesentia Corporis Christi

Lobgesang zum heiligsten Altrassakrament

Im Jahre 1264 führte Papst Urban IV. das Fronleichnamsfest ein. Mit der Abfassung des Officiums beauftragte er Thomas von Aquin. Für die Tagzeiten verfasste dieser Hymnen, zur Vesper "Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium", zur Matutin "Sacris solemnis iuncta sint gaudia" und zu den Laudes "Verbum supernum prodiens". Für die Messe des Fronleichnamsfestes verfasste er die Sequenz "Lauda, Sion, salvatorem". In den Umkreis dieser Schöpfungen gehören ferner das "Adoro te devote" und das "Ave, verum".

Thema des "Adoro te devote" ist das Mysterium der Eucharistie.

In der siebten Strophe findet sich ein beliebtes Wortspiel mit den zwei Wortbedeutungen von mundus, nämlich mit dem Substantiv mundus (Welt, Weltall, Erde) und mit dem Adjektiv mundus (rein, sauber).

metrum

Versmaß: katalektische trochäische Trimeter, Reimschema aabb

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