Laetabundi iubilemus
Geschrieben von: Adam von St. Viktor
Adam von Sankt Viktor (* um 1100 - † 1192)
Lateinisch:
Lætabundi iubilemus
Ac devote celebremus
Hæc sacra sollemnia;
Ad honorem summi Dei
Huius laudes nunc diei
Personet ecclesia.
In hac Christus die festa
Suæ dedit manifeta
Gloria indicia.
Ut hoc possit enarrari,
Hic nos suo salutari
Repleat et gratia.
Christus ergo, Deus fortis,
Vitæ dator, victor mortis,
Verus sol iustitiæ,
Quam assumpsit carnem de virgine,
Transformatus in Thabor culmine
Glorificat hodie.
O quam felix sors bonorum;
Talis enim beatorum
Erit resurrectio.
Sicut fulget sol pleni luminis,
Fulsit Dei vultus et hominis
Teste evangelio.
Candor quoque sacræ vestis
Deitatis fuit testis
Et futuræ gloriæ.
Mirus honor et sublimis,
Mira, Deus, tuæ nimis
Virtus est potentiæ.
Cumque Christus, virtus Dei,
Petro, natis Zebedæi
Maiestatis gloriam
Demonstraret manifeste,
Ecce, vident Luca teste
Moysen et Eliam.
Hoc habemus ex Matthaeo,
Quod loquentes erant Deo,
Dei patris filio.
Vere sanctum, vere dignum,
Loqui Deo, et benignum,
Plenum omni gaudio.
Huius magna laus diei,
Quæ sacratur voce Dei,
Honor est eximius.
Nubes illos obumbravit:
Et vox patris proclamavit:
Hic est meus filius.
Huius vocem exaudite;
Habet enim verba vitæ
Verbo potens omnia.
Hic est Christus, rex cunctorum,
Mundi salus, lux sanctorum,
Lux illustrans omnia.
Hic est Christus, patris verbum,
Per quem perdit ius acerbum,
Quod in nobis habuit,
Hostis nequam, serpens dirus,
Qui fundendo suum virus
Evæ nobis nocuit.
Moriendo nos sanavit,
Qui surgendo reparavit
Vitam, Christus, et damnavit
Mortis magisterium.
Hic est Christus, pax æterna,
Ima regens et superna,
Cui de cælis vox paterna
Confert tetimonium.
Cuius sono sunt turbati
Patres illi tres præfati
Et in terram sunt prostrati,
Quando vox emittitur;
Surgunt tandem adnuente
Sibi Christo, sed intente
Circumspectant, cum repente
Solus Iesus cernitur.
Volens Christus hæc celari
Non permisit enarrari,
Donec vitæ reparator,
Hostis vitæ triumphator
Morte victa surgeret.
Hæc est dies laude digna,
Qua tot sancta fiunt signa.
Christus, splendor Dei patris,
Prece sancta suæ matris
Nos a morte liberet.
Tibi, pater, tibi, nate,
Tibi, sancte spiritus,
Sit cum summa potestate
Laus et honor debitus.
Deutsch:
Laßt in Freuden uns lobsingen,
Laßt in Andacht uns erbringen
Heilgen Fests beglückten Dank;
Höchsten Gottes Ruhm zu mehren,
Tön zu solchen Tages Ehren,
Kirche, deinen Jubelsang.
Denn heut wars, daß Christ den Seinen
Seine Gottheit ließ erscheinen
In der Glorie lichtem Kreis.
Daß in Treuen wirs enthüllen,
Mög sein Segen uns erfüllen,
Höchster Gnade Huldbeweis.
Christ, der mächtge Lebensbringer,
Herr der Welten, Tods Bezwinger,
Sonne, die des Rechtes wacht:
Seht, sein Fleisch, die Gabe der keuschen Maid,
Hüllt er heut auf Tabor in Herrlichkeit,
Strahlend in verklärter Pracht.
Selig ist das Los der Guten;
Denn zu gleich verklärten Gluten
Weckt sie einst das Auferstehn.
Herrlich wie das strahlende Sonnenlicht
War dort Menschen und Gottes Angesicht,
So bezeugts die Schrift, zu sehn.
Auch das Leuchten der Gewande
Ward zu wahrer Gottheit Pfande,
Hell im Glanz der Ewigkeit;
Herrlich, Gott, ist deine Ehre,
Herrlich deine hohe Wehre,
Die da siegt in jedem Streit.
Petrus sah in höchster Schöne,
Mit ihm Zebedäus' Söhne,
Gottes Kraft aus Christus wehn;
Ja, sie sahn im Lichtgeleite,
Lukas zeugt es, ihm zur Seite
Moses und Elias stehn
Und Matthäus läßt uns wissen,
Daß der Rede sie beflissen
Dort mit Gott und Gottes Sohn;
O wie köstlich wärs für Jeden,
Einmal so mit Gott zu reden,
Welch ein selig frommer Lohn.
Herrlich ist des Tags Verklärung,
Reinste Weihe, reichste Ehrung
Wird ihm hoch von Gottes Thron;
Denn aus Nebels dichtem Wallen
Hört man Vaters Stimme schallen:
Dies ist mein geliebter So
hn.
Diesem folgt, getreu ergeben,
Denn sein Wort ist wahres Leben,
Seinem Wort ist Kraft gesellt;
Dies ist Christ, in Königs Mächten,
Klarste Leuchte der Gerechten,
Leuchte, die das All erhellt.
Dies ist Christ zum Heil entsendet,
Vaters Wort, das Gnade spendet
Statt der Fron, die uns gebührt;
Nicht soll uns der Feind besitzen,
Nicht die Schlange Gift verspritzen,
Wie sie Eva einst verführt.
Sterbend ließ uns Christ gesunden,
Der das Leben neu gefunden
Und die Kraft des Tods gebunden,
Da er selig auferstand;
Christ , der ewgen Frieden gründet,
Erd und Himmel mächtig bindet,
Er ists, den die Stimme kündet,
Die ihn Gottes Sohn genannt.
Da die Stimme sie vernommen,
Werfen sich, von Angst beklommen,
Hin zur Erde jene frommen
Väter, die der Ruf ereilt.
Christus lös sie aus dem Grauen,
Daß zu nahn sie sich getrauen,
Doch sie sehn, so weit sie schauen,
Nur ihn selbt der einsam weilt.
Solche Zeichen zu verhehlen,
Hieß sie Christus nichts erzählen,
Eh das Leben er erungen
Und des Lebens Feind bezwungen,
Heil vom Tode auferwacht.
Laßt denn laut den Tag uns preisen,
Den so hehre Wunder weisen:
Christus, Glanz aus Vaters Höhen,
Ob der Mutter frommem Flehen
Lös uns aus des Todes Macht!
Dir, dem Vater, dem Sohne,
Dir, dem Geist der Heiligkeit,
Sei im Glanz der höchsten Krone
Ewig Lob und Preis geweiht.
Deutsch von Franz Wellner (1889 – 1956)
fontes
Adam von Sankt Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch-deutsche Ausgabe. Einführung und formgetreue Übertragung von Franz Wellner, Wien 1937, S. 228 – 235
Adam von St. Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch und Deutsch, eingeführt und übertragen von Franz Wellner, 2. Aufl. München 1955
Die Erstauflage des Werkes erschien 1937 in Wien. Nach Auskunft des Verlages verfügt Kösel nicht mehr über die Rechte an dem genannten Buch und kennt auch keinen Rechtsnachfolger. Wir gehen daher davon aus, dass unserer Wiedergabe hier nichts entgegensteht.
scholia / marginalia
Sequentia in transfiguratione Domini
Sequenz auf Christi Verklärung
"Sequenz auf Christi Verklärung [6. August]. – Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus [Jakobus und Johannes], dieselben, die er später zu Zeugen seines Bangens im Garten Gethsemane machte [Matth. 26, 37], erwählte der Heiland, um sich ihnen auf dem Berge Tabor im Glanze seiner göttlichen Glorie zu zeigen: während er betete, begann sein Antlitz wie die Sonne zu leuchten und seine Kleider wurden blendend weiß. Zugleich erschienen Moses und Elias und redeten mit ihm; dann aber senkte sich eine lichte Wolke nieder und eine Stimme erklang: 'Dies ist mein geliebter Sohn; ihn sollt ihr hören.' [Die Sequenz führt dies weiter aus: 'Er hat Worte des Lebens' (Joh. 6, 69) usw.]. Die Apostel fielen in großer Furcht auf ihr Angesicht, bis Jesus sie wieder aufstehen hieß; als sie aber ihre Augen erhoben, sahen sie nur mehr ihn allein. Und Jesus gebot ihnen, nichts von dieser Erscheinung zu erzählen, ehe er vom Tode auferstanden wäre [Matth. 17, 1–9; Marc. 9, 1–8; Luc. 9, 28–36].
Diese Sequenz ist eine von den wenigen, die mit einer Doxologie schließen."
Adam von Sankt Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch-deutsche Ausgabe. Einführung und formgetreue Übertragung von Franz Wellner, Wien 1937, S. 228f.
metrum
Die Verse der Strophe dieser Sequenz entstehen aus dem trochäischen Septenarius;
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der Septenarius wird nach der Cäsur aufgeteilt, und zudem wird der erste Halbvers wiederholt.
—◡—◡—◡—◡
—◡—◡—◡—◡
—◡—◡—◡—
So entsteht eine dreizeilige (Teil)Strophe, der drei gleich gebaute Verse als Gegenstrophe beigefügt werden; damit ist die Strophe nun sechszeilig. – Reimschema: aabccb. Wird die erste Hälfte des Septenarius vervielfacht, ergeben sich achtzeilige oder zehnzeilige Strophen, und das Reimschema ist dann entsprechend aaabcccb oder aaaabccccb.
Die Sequenz schließt mit einer vierzeiligen Strophe (Doxologie).
Franz Wellner, der Übersetzer und Herausgeber der Sequenzen von Adam von Sankt-Viktor, behandelt in seiner Ausgabe Versbau, Versformen, Reim, Strophenbau, Strophenformen und Sequenzenaufbau des Dichters eingehend; hier sind zahlreiche weiterführende und aufschlussreiche Hinweise zu finden.