Lux illuxit dominica

Adamus a Sancto-Victore (* um 1100 — † 1192)

Lateinisch:

Lux illuxit dominica,
Lux insignis, lux unica,
Lux lucis et lætitiæ
Lux immortalis gloriæ.

Diem mundi condicio
Commendat ab initio,
Quam Christi resurrectio
Sublimat privilegio.

In spe perennis gaudii
Lucis exsultent filii,
Vindicent membra meritis
Conformitatem capitis.

Sollemnis est celebritas,
Et vota sint sollemnia;
Primæ diei dignitas
Prima requirit gaudia.

Sollemnitatem gloria
Paschalis est victoria,
Sub multis ænigmatibus
Diu promissa patribus.

Iam scisso velo patuit,
Quod vetus lex præcinuit;
Figuram res exterminat
Et umbram lux illuminat:

Quid agnus sine macula,
Quid hœdus typi gesserit,
Nostra purgans piacula
Messias nobis aperit.

Per mortem nos indebitam
Solvit a morte debita:
Prædam captans illicitam
Prædo privatur licita.

Carnis delet opprobria
Caro peccati nescia;
Die reflorens tertia
Corde confirmat dubia.

O mors Christi vivifica,
Tu Christo nos unifica;
Mors morti non obnoxia,
Da nobis vitae præmia.

deutsch:

Das Licht des Sonntags strahlt empor,
Das Licht, das Gott zuhöchst erkor,
Das Licht des Lichts in freudger Brust
Das Licht unsterblich hoher Lust.

Von je war dieser Tag ersehn,
Mit ihm begann der Welt Bestehn;
Doch jetzt, durch Christi Auferstehn
Ward er ob allen Maßen schön.

Drum jubelt auf im Hoffnungsgeist
Die ihr des Lichtes Kinder heißt;
Ihr Glieder, strebt in treuem Streit,
Dass ihr dem Haupte ähnlich sei’t.

Lasst euer Feiern festlich sein
Und festlich euer Dankgebet;
Wie jener erste Tag so rein
Sei auch die Lust, die ihn begeht.

Denn ob der Feste höchstem Flug
Erschwebt der Ostern Siegeszug,
Den Vätern schon zu alter Zeit
In vielen Rätseln prophezeit.

Der Vorhang reißt: da zeigt sich klar,
Was in der Schrift nur Ahnung war;
Das Vorbild wird zu wahrem Sein,
Der Schatten weicht vor lichtem Schein.

Was jenes Lamm, von Makel rein,
Was sühnend jener Bock verhüllt:
Er, der uns löst aus Sündenpein,
Der Heiland hats an uns erfüllt.

Sein Tod, den er unschuldig litt,
Löst uns aus schuldgen Todes Macht;
Der um verbotne Beute stritt,
Verliert auch, was ihm zugedacht.

Das Fleisch, das Sünde nie gekannt,
Hat unsern Fleisches Schmach gebannt;
Da es am dritten Tag erstand,
Ward es zu Glaubens festem Pfand.

O Christi Tod, der Leben schafft,
Verein uns Christi hoher Kraft;
O Tod, der Tods nicht schuldig war,
Verleih uns Leben immerdar.

Deutsch von Franz Wellner

fontes

Adam von Sankt Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch-deutsche Ausgabe. Einfüh­rung und formgetreue Übertragung von Franz Wellner, Wien 1937, S. 118 - 121

Adam von St. Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch und Deutsch, eingeführt und übertragen von Franz Wellner, 2. Aufl. München 1955 

Die Erstauflage des Werkes erschien 1937 in Wien. Die Lebensdaten des Übersetzers waren nicht zu eruieren. Nach Auskunft des Verlages verfügt Kösel nicht mehr über die Rechte an dem genannten Buch und kennt auch keinen Rechtsnachfolger. Wir gehen daher davon aus, dass unserer Wiedergabe hier nichts entgegensteht.

scholia / marginalia

„Sequenz auf das Osterfest. – Die zweite Oster-Sequenz Adams von St. Viktor verherrlicht eingangs das Licht des Sonntags, als des ersten Schöpfungstages, der durch die Auferstehung Christi aufs höchste verklärt wird. Auch wir, die Kinder des Lichtes [Johl. 12, 36] dürfen die ewigen Freuden erhoffen, wenn wir als Glieder [I. Kor. 6,15] dem Haupte Christus [I. Kor. 11, 3] nachstreben. – Mit dem Vorhang des Tempels [Matth. 27, 51] zerreißt auch der Schleier, hinter dem sich die Vorbilder Christi in der alten Schrift verbergen: das makellose Lamm, das zur Versöhnung Gottes geopfert wird [II. Mos. 12, 5], und der Sündenbock, der die Schuld des ganzen Volkes sühnt [III. Mos. 16, 7-10]. – Der Böse, der nach dem ihm nicht zukommenden Leben des Heilands langt, verliert dadurch auch seinen Anspruch an uns, die wir ihm durch unsere Sünden verfallen waren.“

Adam von Sankt Viktor, Sämtliche Sequenzen, Lateinisch-deutsche Ausgabe. Einfüh­rung und formgetreue Übertragung von Franz Wellner, Wien 1937, S. 118f.

metrum

Das Metrum dieser Sequenz ist unregelmäßig, eine Art Mischform, bald quantitierend, bald akzentuierend. Der Reim ist von besonderer Bedeutung.

Strophen zu vier Zeilen, gereimt; Strophen 1, 3, 5, 6, 10 Reimschema aabb;

Strophen 4, 7, 8 Reimschema abab; Strophen 2, 9 Reimschema aaaa.

So wie das Ostergeschehnis Vorstellungskraft und Naturgesetze außer Kraft setzt und so wie die Auferstehung ein Ereignis ist, das alle Fesseln sprengt, so setzt sich der Dichter über die regelmäßige Gesetzmäßigkeit der Metren hinweg und wählt Versmaße außerhalb aller Regeln.

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