Aurelius Prudentius Clemens

(* 349 – † nach 405)

Die spärlichen Nachrichten, die wir über Leben und Lebensumstände des größten altchristlichen Dichters besitzen, müssen wir ausschließlich seinen Gedichten, vor allem der "Praefatio" seiner "Gesammelten Werke" entnehmen. Leider gefällt sich letztere in Andeutungen so unbesimmter Art, daß sie wohl dem Wissenden genügen konnten, nicht aber den Unwissenden zu befriedigen vermögen, da sie von dem Wenigen, das sie bieten, den Schleier eines störenden Halbdunkels nicht entfernen.

Prudentius war 348 (Praef. v 24) in Spanien, wahrscheinlich im Tarraconensischen Spanien, geboren. Auf eine drückende erste Schulzeit (v. 7) und eine höhere rhetorische, d.h. schönwissenschaftliche Ausbildung (v. 8 u.f.) folgte ein von ihm später, wahrscheinlich in frommer Übertreibung, als ausgelassen (lasciva protervitas) bezeichnetes Jugendleben (v. 10 - 12). Er scheint sich darauf der Advokatur beflissen zu haben (v. 13 - 15), dann in die Beamtenlaufbahn übergetreten und zweimal "Statthalter einer Provinz" geworden zu sein; so wenigstens deutet man gemeiniglich die Verse 16ff.: "Bis legum moderamine Frenos nobilium reximus urbium." Endlich wurde er durch kaiserliche Gunst (pietas principis) in ein hohes Amt berufen (militiae gradu evectum), von dem es unentschieden bleibt, ob wir es uns als ein militärisches Kommando oder als Hofcharge zu denken haben, das ihn aber jedenfalls in die persönliche Umgebung des Fürsten führte (v. 21). Im Jahre 402 (oder 403) unternahm er eine Reise nach Rom, zog sich vom öffentlichen Leben zurück und veranstaltete 405, siebenundfünfzig Jahre alt, eine Sammlung seiner Gedichte. Das Datum seines Todes ist ungewiß.

Manuskriptseite mit ZeichnungFür die Hymnenforschung kommt Prudentius vorwiegend durch sein Buch Cathemerinon, teilweise auch durch das Peristephanon in Betracht, obschon letzteres an sich der erzählenden Dichtungsart angehört. Die Dichtungen des Prudentius sind nicht wie die Hymnen des Hilarius und Ambrosius zu liturgischen Zwecken gedichtet; dazu eignen sie sich schon ihrer Länge wegen schlecht. Sie waren vielmehr für die Privatandacht, richtiger vielleicht bloß aus literarischer Neigung, ohne jede praktische Nebenabsicht geschrieben. Als man daher später Hymnen des Prudentius in die verschiedenen Liturgien einführte, sah man sich gezwungen, Bruchstücke auszuwählen, die zuweilen den Charakter eines Ceno annahmen. Dem Beispiel meiner sämtlichen Vorgänger folgend, gebe ich nur solche in liturgischen Gebrauch gezogene Hymnen als Proben; nur der an letzter Stelle mitgeteilte macht davon eine Ausnahme. Bezüglich der Verwendung der Poesien des Prudentius in der römischen Liturgie vgl.  Anal. hymn. L, 22ff.; in der mozarabischen Anal. hymn. XXVII, 35ff. Die beste Ausgabe der Gedichte des Prudentius ist, solange die längst angekündigte des Wiener Corpus Patristicum auf sich warten läßt, die von Dreßel (Leipzig 1860), der die Auswahl Anal. hymn. L, 22ff., soweit dies möglich, gefolgt ist. Aus der ausbebreiteten Prudentiusliteratur (vgl. Schanz, Geschichte der röm. Lit. IV I, 213 u.f.) seien hier als die eingehendsten Monographien nur hervorgehoben: Brockhaus, Aurelius, Prudentius Clemens in seiner Bedeutung für die Kirche seiner Zeit, Leipzig 1872 und Rösler, Der katholische Dichter Aurelius Prudentius Clemens, Freiburg i.B. 1886.

Ich füge noch die folgenden treffenden Worte Karl Fortlages ("Gesänge christlicher Vorzeit" S. 5 u.f.) hinzu: "Das Feuer der Empfindung, welches im altrömischen Gesange nie zum unmittelbaren Ausbruch kam, sprühte dagegen heller auf in Spanien, besonders in der Poesie des Prudentius, als Gluten einer mit Vorliebe dem Märtyrertume gewidmeten Empfindung, die wie in schrecklich schönen Farbenspielen gleichsam vulkanisch aus der Erde hervorbrechen, in ungewohnter Weise fremdartiges offenbarend, Wunder einer unerhörten Welt enthüllend. Wenn die Schmucklosigkeit der ambrosianischen Gesänge an das Gebot des Mosis erinnert, Gott nicht auf behauenen Altären zu opfern, so kommt in Spanien dagegen mit Prudentius eine Wiedergeburt flammender Psalmenpoesie zum Vorschein, brennend in buntfarbigen Lichtern gleich dunkelklarer Glasmalerei. Es wälzt sich die Seele in tiefen und starken Empfindungen, und es entsteht hieraus das Hervorragendste, Prächtigste und Köstlichste, was die geistliche Poesie des Christentums hervorgebracht hat. Ein Himmel und Erde durchtönendes Orgelwerk scheint im Gange zu sein, das mit Schauern innerer Unwürdigkeit, mit Flehen und Zerknirschung, mit Frohlocken über Gottes Güte, mit Klagen und Seufzern über den menschlichen Fall und Triumphtönen der Erlösung das Weltall durchzittert. Oder das Feuer der Todestrunkenheit sprüht aus Triumphliedern der Märtyrer, glühend fremd, im Gewande des buntgefleckten Tigers, und bildet so die Höhe dieser freieren und mehr ekstatischen Tonart, entgegen der mehr gemessenen und gedämpften altrömischen, ähnlich wie auch in der profanen Dichtung des Südens Calderons buntflammende Lichter von Dantes düsterer Strenge und Tassos gesättigtem Farbenschmelz sich unterscheiden."

(Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 15f.)

 

 

Literatur

Aurelius Prudentius Clemens. - Lexikon für Theologie und Kirche. Begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper u.a., Freiburg i.Br., Basel, Rom, Wien. Bd. 8. Pearson bis Samuel. - 3., völlig neu bearb. Aufl. 1999, Sp. 682f.

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