In caelesti collegio novus collega

Thomas de Capua (* vor 1185 - 1239)

Lateinisch:

In caelesti collegio
Novus collega colitur:
In sanctorum rosario
Novellus flos producitur.

Franciscus, florens gratia,
Forma factus humilium,
Laetus potitur gloria,
Sortis consors sublimium.

Metit de sparso semine
Plenae messis manipulum:
Fallens sub terrae tegmine
Nostrae salutis aemulum.

Hic carnis supercilium
Legi subiecit spiritus:
Mundum vicit et vitium,
Se victo victor inclitus.

Linguae manus praeambula
Verbo paravit semitam,
Et amplectuntur saecula
Doctrinam facto proditam.

In pauperitatis praedio
Minorum plantans vineam,
Ostendit magisterio
Vitae vivendi lineam.

Ad aeternas divitias
Turbam allexit pauperum,
Quos ad caeli delicias
Lingua vocavit operum.

Vita, doctrina splenduit,
Resplendet et miraculis;
Sic praefuit, quod profuit,
Viva lucerna populis.

Summi regis palatio,
Doctor, loca discipulos,
Salutis privilegio
Christi praemuni famulos.

De tenebris miseriae
Sequaces stellae praeviae,
Quaeramus patrem gratiae,
Consortes tandem gloriae.

Deutsch:

Der Bruderchor im Himmelsschein
Begrüßt das jüngst genahte Glied:
Hell in der Heiligen Rosenhain
Ist neu ein Knösplein aufgeblüht.

Franziskus, voll im Gnadenblust,
Ein Bild der Demut vor der Welt,
Genießt der Glorie nun mit Lust,
Den selgen Geistern zugesellt.

Vom Samen liefert ihm die Mahd
Die Fülle goldnen Ernteteils:
Im Erdgewand entging die Saat
Dem alten Neider unsres Heils.

Er brach des Fleisches Übermut
Durch des lebendgen Geists Gebot,
Besiegte Welt und Sündenglut,
Bezwang sich selber, siegumloht.

Sein Werk, dem Wort vorangestellt,
Bahnt, wo er predigt, ihm den Pfad,
Und froh erfassen Zeit und Welt
Die Lehre, die ein Bild der Tat.

Tief grub er in der Armut Grund
Dein Weinstock seiner Minderschar,
Als Meister, dem das Leben kund,
Legt' er des Lebens Regel dar.

Zum Reichtum, dem kein Ende droht,
Zog er das Volk der Armen hin,
Rief sie zum süßen Himmelsbrot
Durch seines Werks beredten Sinn.

In Lehr und Leben stand er klar,
Die Wunder leihn ihm neue Sicht;
So wies er, hilfreich immerdar,
Der Welt sich als lebendges Licht.

Führ in des höchsten Königs Saal,
Du, Lehrer, uns, die Schüler, ein;
Laß durch des Heils besondre Wahl
Den Dienern Christi Schutz gedeihn,

Aus unsres Elends trübem Dunst
Blickt nach dem Stern, der vor uns scheint;
Strebt auf zum Vater aller Gunst,
Bis uns die Glorie ihm vereint.

Deutsch von Franz Wellner (1889 - 1956)

fontes

Stiftsbibliothek, St. Gallen, Codex 388

https://e-codices.ch/de/csg/0388/441/0/
https://e-codices.ch/de/csg/0388/442/0/

Drei liturgische Reimhistorien aus dem Kreis der minderen Brüder. Eingeleitet und formgetreu übersetzt von Franz Wellner. Lateinisch und Deutsch. München, Kösel-Verlag, 1951, S. 42 - 45

scholia / marginalia

Diese Hymne des Kardinals Thomas von Capua hat Julian von Speyer (Julianus Teutonicus) in das von ihm verfasste Reimoffizium (Officium S. Francisci) aufgenommen und vertont. Bei Julian von Speyer erreicht die Kunst der Reimoffizien ihren Höhepunkt.

Franz Wellner gibt folgende Verweise zu Anspielungen auf die Heilige Schrift:

Strophe 3 — Ps. 125,6

Strophe 4 — Röm. 7, 14; 8, 2ff.

Strophe 8 — Matth. 6,22; Luc. 11, 34 Joh. 5, 35

Strophe 10 — In Epiphan. Dom. Hymn. ad I. Vesp.

Aus dem Manuskript:

Bildquelle: https://e-codices.ch/de/csg/0388/441/0/; https://e-codices.ch/de/csg/0388/442/0/

metrum

Versmaß: ambrosianisch (metrum ambrosianum), akatalektische iambische Dimeter, anstelle der Iamben können an erster und dritter Stelle auch Spondäen und Anapäste stehen (vgl. Aldalbert Schulte, Die Hymnen des Breviers, S. 9f.).

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