Plaude, turba paupercula

Rainerus Cappoccius (* um 1180 - 1250)

Lateinisch:

Plaude, turba paupercula,
Patre ditata paupere,
Laudis propina pocula
Sacro depressa ubere.

Hic simplex, rectus, humilis,
Pacis cultor amabilis,
Lumen in vase fictili
Ardens, lucens in fragili.

Vili contectus tegmine,
Sancto calescens flamine,
Vicit algorem, caumata,
Christi dum gestat stigmata.

Carnem mundumque conterens,
Hostes malignos proterens,
Auream victor meruit,
Aureolam, dum docuit.

Pauper, nudus egreditur,
Caelum dives ingreditur:
Spargit virtutum munera,
Aegris profligat vulnera.

Verorum pater pauperum,
Nos pauperes fac spiritu,
Consortes redde superum
Ereptos ab interitu.

Patri, nato, paraclito
Decus, honor et gloria;
Sancti sint huius merito
Nobis aeterne gaudia.

Deutsch:

Freu dich, du arme kleine Schar,
Vom armen Vater reich gemacht,
Biet ihm den Trank des Lobes dar,
Aus heilger Brust zutaggebracht.

Voll Einfalt, Demut, Rechtlichkeit,
Pflag er des Friedens liebgeweiht:
Ein Licht, in irdnen Krug gebannt,
In spröder Scherbe strahlentbrannt.

Nicht schafft das grobe Kleid ihm Not,
Da er in heilgem Feuer loht;
Mag Frost ihn frieren, Hitze glühn:
Die Male Christi schützen ihn.

Der Fleisch und Welt zu Staub zerreibt
Und den verschlagnen Feind vertreibt,
Erwirbt des Siegers goldnen Glanz,
Des Lehrers sanftern Stahlenkranz.

Arm, nackt und bloß, so zieht er aus,
Reich tritt er in des Himmels Haus;
Der Tugend streut er selgen Lohn
Und bricht der Krankheit blutge Fron.

Der wahren Armen Vater du,
Mach uns auch alle arm im Geist,
Führ uns dem Chor der Heilgen zu,
Wenn du dem Abgrund uns entreißt.

Lobpreisung sei und Ruhm und Ehr
Dem Vater, Sohn und Geist zuteil;
Durch sein Verdienst, so hoch und hehr,
Werb uns der Heilge ewges Heil.

Deutsch von Franz Wellner (1889 - 1956)

fontes

Drei liturgische Reimhistorien aus dem Kreis der minderen Brüder. Eingeleitet und formgetreu übersetzt von Franz Wellner. Lateinisch und Deutsch. München, Kösel-Verlag, 1951, S. 60 - 63

scholia / marginalia

Der Verfasser erscheint auch unter anderen Namen: Raniero Cappocci, Rainerus (Ranerius) de Viterbio, Rainerus Viterbiensis.

Diese Hymne des Kardinals Rainerus Cappoccius hat Julian von Speyer (Julianus Spirensis, Julianus Teutonicus) in das von ihm verfasste Reimoffizium (Officium S. Francisci) aufgenommen und vertont. - Bei Julian von Speyer erreicht die Kunst der Reimoffizien ihren Höhepunkt.

Aus dem Manuskript:

Stiftsbibliothek St. Gallen, https://www.e-codices.unifr.ch/de/csg/0389/418; https://www.e-codices.unifr.ch/de/csg/0389/419/0/

Franz Wellner gibt folgende Verweise zu Anspielungen auf die Heilige Schrift:

Strophe 2:
Job. 1,1; 1,8; 2,3
II. Kor. 4,7

Strophe 6:
Matth. 5,3

Zu den Tonaufnahmen

Gegenwärtig im Handel oder antiquarisch erhältliche Aufnahmen

Es ist absolut unverständlich und bedauerlich, dass in der Aufnahme des Reimoffiziums "Franciscus vir catholicus" die im Reimoffizium enthaltenen Hymnen, insbesondere die der Kardinäle Thomas de Capua und Rainerus Cappoccius, nicht eingespielt wurden. Die Aufnahme "Gloriosus Franciscus" (Tactus TC 250001) enthält die Hymne "Plaude, turba paupercula" in der Vertonung von Julian von Speyer.

metrum

Versmaß: ambrosianisch (metrum ambrosianum), akatalektische iambische Dimeter, anstelle der Iamben können an erster und dritter Stelle auch Spondäen und Anapäste stehen (vgl. Aldalbert Schulte, Die Hymnen des Breviers, S. 9f.).

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