Victimae paschali laudes

Sequenzen

Wipo Burgundio (c. 990 – 1050)

Lateinisch:

Victimæ paschali laudes
immolent christiani.

Agnus redemit oves;
Christus innocens patri
reconciliavit
peccatores.

Mors et vita duello
Conflixere mirando,
dux vitæ mortuus
regnat vivus.

Dic nobis, Maria,
quid vidisti in via?
Sepulcrum Christi viventis
et gloriam vidi resurgentis,

Angelicos testes
sudarium et vestes.
Surrexit Christus, spes mea,
præcedet vos in Gallilaeam.

Credendum est magis soli
Mariæ veraci,
Quam Iudæorum turbæ fallaci.

Scimus Christum surrexisse
a mortuis vere,
Tu nobis, victor rex, miserere.

deutsch:

Lobgesang dem Osteropfer
Bringe dar, Volk der Christen.

Das Lamm erkauft’ die Schafe;
Christus, ganz ohne Fehle
Trug die Sünderseelen
Heim zum Vater.

Tod und Leben, wie seltsam
Rangen beide im Wettkampf:
Des Lebens Herzog, ermordet,
Herrscht, lebendig geworden.

Sag uns, Maria,
Was du sahst auf dem Wege!
Das Grabmal Christi, des Lebenden, sah ich
Und die Herrlichkeit des Auferstehenden,

Und Engel als Zeugen,
Das Schweißtuch, die Kleider.
Auferstanden ist Christus, meine Hoffnung
Er geht euch voran nach Galiläa.

Zu glauben ist allein
Der wahrhaften Maria, viel mehr
Als der lügnerischen Schar der Juden.

Wir wissen: Christ auferstand
wahrhaft von den Toten:
Du, siegreicher König, erbarme dich unser.

Deutsch nach Hans Rosenberg (bearbeitet)

fontes

Missale Romanum
Hans Rosenberg, Die Hymnen des Breviers II, S. 194f.
Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 147f.

scholia / marginalia

Sequentia Dominicae Resurrectionis
Sequenz am Ostersonntag

Die zweitletzte Strophe fehlt im Missale Romanum.

„In der Reihe der liturgischen Dichter des Mittelalters hat sich Wipo einen ehrenvollen Platz gesichert als Verfasser der noch heute in kirchlichem Gebrauch befindlichen Ostersequenz ‚Victimae paschali’, namentlich, wenn wir ihn auch als den Schöpfer der herrlichen dorischen Singweise zu betrachten haben, die mehr als der Text zur Unsterblichkeit der Sequenz beigetragen hat.“ (Guido Maria Dreves, Clemens Blume, Ein Jahrtausend Lateinischer Hymnendichtung. Erster Teil, S. 147)

„Literaturgeschichtlich steht diese bemerkenswerte Dichtung auf der Scheide zwischen der älteren, reimlosen, bloß silbenzählenden Sequenz, die einer gegebenen Singweise unterlegt wurde (Notker der Stammler), und der neueren, in strengem Maß und Reim kunstvoll gestalteten, zu der eine regelmäßig neue Singweise erfunden wurde (Adam von St. Viktor). Der farbige, bewegte Fluß der durch Gleichklang und Reim verbundenen Verse, die dramatisch frische Unmittelbarkeit des Erlebens lassen es verständlich erscheinen, warum Wipos Sequenz gern aufgenommen, vielfach nachgeahmt und bis heute im kirchlichen Dienst bewahrt wurde (ausführliche Erläuterungen bei Adalbert Schulte a.a.O. S. 162ff.).“ (Hans Rosenberg, Die Hymnen des Breviers II, S. 240)

"Allgemein gilt Wipo als Verfasser der berühmten Ostersequenz Victimae paschali lauses immolent christiani. Die herkömmliche Zuweisung mag richtig sein, jedenfalls nicht widerlegbar. Die Sequenz weist die typische Form des Übergangs auf: aus einem Eingangsversikel und drei Strophenpaaren bestehend und in sorgfältig durchgegliederter Prosa gebildet, geht die Sequenz über die sonst bemerkenswert streng befolgen Notkerschen Bauprinzipien insofern hinaus, als die Teile der einzelnen Strophen durch paarweisen oder überkreuzenden einsilbigen Reim geschmückt sind. (...) Die Sequenz zeichnet sich durch Tiefe und Klarheit der Gedanken, durch gepflegte, trotz eindeutig mittelalterlicher Färbung fast klassisch zu nennende Latinität und Schönheit der Sprache wie der Melodie aus. In Handschriften schon mehrfach seit dem zwölften Jahrhundert belegt, ist sie vermutlich schon früh in die Liturgie eingegangen, hat als die Ostersequenz schlechthin und als die einzige Sequenz der frühen Stufe den humanistisch bestimmten Purismus des Konzils von Trient überdauert und ist auch durch die folgenden Jahrhunderte im lebendigen Gebrauch geblieben, bis sie in der Mitte des zwanzigsten Jahrunderts das II. Vatikanische Konzil achtlos beiseite warf." (Franz Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Zweiter Band. München 1992, S. 495f.)

Weiteres zur Sequenz siehe in der Rubrik Miscellanea, Zur Sequenzendichtung.

metrum

Versmaß: unregelmäßiges Versmaß, vorwiegend trochäisch und assonierend. Sequenz des sogenannten Übergangsstils

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